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Pflanzenvielfalt: Genaue Verbreitungskarten dank Mitmachwissenschaft und KI

Blütezeitpunkt: Während der Löwenzahn im Mittelland Ende April meist schon verblüht ist, passiert dies in höheren Lagen deutlich später. Hier in Stierva, auf ca. 1400 Metern über Meer, ist er in der zweiten Maihälfte noch in voller Blüte.

Aus einer enormen Datenmenge die entscheidenden Informationen für Forschung und Praxis herauszufiltern, ist eine der grossen Herausforderungen im Zeitalter von Big Data. WSL-Forschende haben jetzt ein Tool entwickelt, das aus gemeldeten Pflanzenbeobachtungen die aktuelle und zukünftige Verbreitung von Pflanzenarten in der Schweiz mit hoher Genauigkeit abschätzen kann.

Die Verbreitung von Pflanzenarten kennen und voraussehen

Den Zustand der Biodiversität messen Forschende mit Beobachtungen im Feld und mit Hochrechnungen (Modellierungen) am Computer. Durch das Erfassen des bevorzugten Lebensraums einer Art, also ihrer ökologischen Nische, sowie den örtlichen Umweltgegebenheiten können sie mithilfe von Algorithmen Verbreitungskarten erstellen. Dabei kommt der Forschung zugute, dass «Citizen Science» oder Mitmachwissenschaft im Trend liegt. Die Möglichkeiten, Pflanzen mit Apps zu beobachten, zu identifizieren und die Daten zu teilen, haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Philipp Brun, Hauptautor der Studie, die in Nature Communications erschienen ist, sagt: «Durch die Beobachtungen aus der Bevölkerung erhalten wir Forschende ein Vielfaches an Informationen von dem, was durch eigene Feldarbeit möglich wäre.» Die vielen Beobachtungen geben nicht nur Einblick in die bevorzugten Standorte der Arten, sondern zeigen auch, welche Pflanzen zu welchem Zeitpunkt wachsen oder blühen

Beispiel FlorID
Anwenderinnen und Anwender der populären FlorApp von InfoFlora können ihre Beobachtungen für die Wissenschaft teilen. Das Modul FlorID wurde in enger Zusammenarbeit mit InfoFlora, dem Nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora, entwickelt und kann in einer benutzerfreundlicheren Version auch über eine Website (https://florid.ch/) oder als Modul in der FlorApp benutzt werden. Die Prognosen des hier beschriebenen Modells werden auch von FlorID genutzt.
Durch die Abschätzungen aus dem Biodiversitätsmodell wird die Identifikation von Pflanzen noch genauer als mit Verfahren, die auf reiner Bilderkennung basieren. Dies dient nicht nur der Unterstützung von Citizen Scientists im Feld, sondern auch der Qualitätskontrolle der Datenbank von InfoFlora.

Waldkarten: Modellabschätzung, welche Baumart in jeder bewaldeten 25 × 25 m Zelle potenziell dominiert, am Beispiel des Gadmentals.

Neues Tool eröffnet Perspektiven

Auf der Basis von 6,7 Millionen Pflanzenbeobachtungen und durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz hat die WSL ein neuartiges Biodiversitätsmodell entwickelt, das die Verbreitung von 2477 Pflanzenarten in der Schweiz berechnet. Es zeigt auf 25 m genau und Tag für Tag, welche Pflanzen wo beobachtet werden können und wie sich dies über die Saison entwickelt. Für gewisse Arten kann man damit zum Beispiel auch abschätzen, wann sie voraussichtlich blühen werden.
Die nun publizierte Studie zeigt, dass dieses Deep-Learning-Biodiversitätsmodell im Vergleich zu den bisher gängigen Ansätzen die Verbreitung der Arten und insbesondere die Zusammensetzung von Artgemeinschaften genauer vorhersagen kann. So kann das WSL-Tool zum Beispiel aufzeigen, welche Baumart in welchem Wald am ehesten zu erwarten ist. Auch durch den Klimawandel erwartete Veränderungen finden Eingang in die Berechnungen. So lässt sich mit dem Tool nicht nur prognostizieren, ob eine Art an einem Ort verschwindet, erhalten bleibt oder neu vorkommen könnte, sondern auch wie sich ihr Vorkommen innerhalb der Saison verändern könnte.

Die Menge der Beobachtungen ist ausschlaggebend

Am genauesten ist das Modell dort, wo sehr viele Beobachtungen verfügbar sind. Philipp Brun ist vom Potenzial des noch neuen und ausbaufähigen Tools überzeugt: «Es ist gut möglich, dass dieses saisonale Biodiversitätsmodell mit dem Deep-Learning-Ansatz bald zum Standardinstrumentarium der ökologischen Forschung gehören wird.»
Die Biodiversitätskrise ist eine der aktuell grossen Herausforderungen der Gesellschaft. Pflanzen sind massgeblich für die Struktur der meisten Ökosysteme verantwortlich und erfüllen entscheidende Ökosystem-Funktionen. Es ist darum von grosser Bedeutung, die Verbreitungsmuster von Pflanzenarten und deren mögliche Reaktion auf Umweltveränderungen detailliert zu verstehen. Nur so können wir
effektive und nachhaltige Massnahmen zum Schutz der Biodiversität treffen.


Publikation:
Brun, P., Karger, D.N., Zurell, D. et al.: Multispecies deep learning using citizen science data produces more informative plant community models. Nat Commun 15, 4421 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-48559-9

Waldkarten schweizweit: Übersicht über potenziell dominierende Baumarten auf nationaler Ebene (a) mit Fokus auf Regionen bei Quinten (b) und Biasca (c).


Ungefähre Blütezeit aus dem Biodiversitätsmodell: Zeitpunkte der maximalen Beobachtungswahrscheinlichkeit für den kriechenden Günsel (a), das grosse
Zweiblatt (b), den gewöhnlichen Löwenzahn (c), das männliche Knabenkraut
(d), das Alpenmasslieb (e), und das niedrige Labkraut (f).
Dr. Philipp Brun, WSL Birmensdorf, Landschaftsdynamik, Dynamische Makroökologie, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, philipp.brun@wsl.ch
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