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Grenzsteine von Clavaleyres – ein Kulturgut

Sämtliche Kantonsgrenzsteine sind im Steininventar des Amtes für Geoinformation des Kantons Bern dokumentiert
Grenzsteine von Clavaleyres
Abb. 6: Borne des 3 cantons. Foto: Jakob Schluep

Die Gemeinde Clavaleyres ist vielen Leuten nicht bekannt. Der Name stammt wahrscheinlich aus dem frankoprovenzalischen Dialekt, eine deutsche Übersetzung gibt es nicht, obwohl die Gemeinde seit 1725 als deutschsprachig gilt. Die ursprüngliche Bedeutung des Namens Clavaleyres bleibt ungewiss. Clavaleyres wurde schon früh, wahrscheinlich ab dem 16. Jahrhundert, von den umliegenden Hoheitsgebieten mit Marchzeichen abgegrenzt. Das Anbringen von Marchzeichen hatte eigentumsrechtliche, machtpolitische und soziale Hintergründe. Das dichte Netz an historisch wertvollen Grenzmarkierungen ist eine Besonderheit von Clavaleyres. Viele Gemeinden im ehemaligen Amt Laupen zeichnen sich durch eine ähnliche Vermarchung der Hoheitsgrenzen aus, aber in der Regel sind diese Grenzsteine jüngeren Datums (18./19. Jahrhundert).

Abb. 1: Plan von Clavaleyres 1822. Staatsarchiv des Kantons Bern AA IV 1527.

Der hoheitliche Grenzstein

Die Grenzen von Hoheitsgebieten und des Grundeigentums werden seit Jahrhunderten in der Regel mit behauenen oder rohen Steinen gekennzeichnet. Im schweizerischen Sprachgebrauch benützt man noch heute sehr häufig den alten Begriff «March» für die Grenze des Grundeigentums. Das Steinmaterial war in früheren Zeiten, etwa ab dem 15. Jahrhundert, Sandstein oder Tuff, also weichere Gesteine, die sich leicht behauen liessen. Diese Marchzeichen verwitterten jedoch im Laufe der Zeit und wurden durch den beständigeren Kalkstein (Kalkstöcke) ersetzt. Heute verwenden die Vermarchungsbehörden kristalline Gesteine, z.B. Granit. Interessant ist, dass Findlinge (erratische Blöcke) kaum zu hoheitlichen Grenzsteinen verarbeitet wurden. Findlinge galten vielerorts als «Tüfelssteine». Hoheitsgrenzen hatten vermutlich auch eine religiöse Komponente (vgl. dazu kirchliche Einweihung und Begehung der Grenzen) und unter dieser Betrachtungsweise konnte das Material eines «Tüfelssteins» kaum als Grenzstein verwendet werden. Die March­zeichen auf Hoheitsgrenzen sind im Verlauf der Jahrhunderte in unterschiedlicher Manier angebracht worden. An den Hauptpunkten, vor allem an wichtigen Eckpunkten oder Grenzpunkten an der Stelle, wo drei oder gar vier Hoheitsgrenzen aufeinanderstossen, wurden grosse, behauene Steine gesetzt. Zwischen diesen Hauptpunkten dienten einfache Feldsteine der Grenzmarkierung; diese hatten mehrheitlich auch die Funktion, das Grundeigentum zu begrenzen und zu versichern. Die Grenzsteine auf Hauptpunkten sind in der Regel beschriftet, nummeriert, mit hoheitlichen Wappen geschmückt und mit einer Jahreszahl (Jahr des Steinsatzes) versehen. Die gesamte Höhe eines solchen Grenzsteins kann ein bis zwei Meter betragen. Dies erlaubt eine starke Verankerung im Boden und eine gute Erkennbarkeit über dem Boden. Auf der Kopffläche des Grenzsteins sind oft Kerben (sogenannte Rauten oder Ruten) eingraviert; diese geben die Grenzrichtung an.

Abb. 2: Plan Clavaleyres von P. Sellin 1697. Familienarchiv von Graffenried, Staatsarchiv des Kantons Bern.

Bedeutung und Wirkung der hoheitlichen Grenzsteine

Die Behörden haben der Versicherung der hoheitlichen Grenzen grosse Beachtung geschenkt. Als hoheitliche Grenzen gelten heute die Gemeinde-, Amts-, Kantons- und Landesgrenzen; früher wurden auch andere Hoheitsbereiche vermarcht, z.B. Untertanengebiete, Hoheitsbereich eines Bistums oder Gemeine Herrschaften. Gerade um die Gemeine Herrschaft Murten waren bis in die jüngste Zeit grosse Grenzsteine erkennbar. Leider sind diese markanten Grenzzeichen, welche das Gebiet der Gemeinen Herrschaft Murten abgrenzten, fast überall verschwunden. Sie haben ihre Funktion verloren oder gingen infolge öffentlicher Bauwerke (wie Strasse, Bahn) oder Landumlegungen verloren. Glücklicherweise haben die Vermessungsämter der Kantone Bern, Freiburg und Waadt die historische Bedeutung der Grenzsteine um die Gemeinde Clavaleyres – die zugleich Kantonsgrenzsteine sind – rechtzeitig erkannt und als erhaltenswertes Kulturgut unter Schutz gestellt. Insbesondere das Amt für Geoinformation des Kantons Bern (siehe Steininventar) hat beachtliche Arbeit zur Erhaltung der kulturhistorisch wertvollen Kantonsgrenzsteine geleistet.

Die Grenzsteine von Clavaleyres haben überdies eine erhöhte Wichtigkeit als historische Dokumente. Sie widerspiegeln eine Rechtsordnung früherer Zeiten und deren Kommunikation an die Öffentlichkeit und an Private. Zudem zeigen sie den Stand der damaligen Technik (Steinbearbeitung, Gravierung, Transport, Steinsatz, Visualisierung der Rechtsverhältnisse). Die Steine verweisen auf den Zeitgeist, insbesondere auf die Aufmerksamkeit, Ernsthaftigkeit und Sorgfalt, mit der die Behörden die Hoheitsgrenzen und Wirtschaftsräume markiert haben. Die hoheitlichen Instanzen haben den Grundsatz «Grenzen schaffen Klarheit» umgesetzt und im Raum dokumentiert. Die Marchzeichen hatten unmittelbare Rechtsverbindlichkeit. Diese Bedeutung der Vermarchung ist heute in den Hintergrund gerückt; es gilt die Richtigkeit des Planes für das Grundbuch und wir haben moderne Mittel zur Georeferenzierung (z.B. satellitengestützte Punktbestimmung).

Neuvermessung Clavaleyres

Vom Frühling 1998 bis Mai 2000 wurden in Clavaleyres die Vermarkungsrevision und die Neuvermessung über das gesamte Gemeindegebiet durchgeführt. Das Vermessungsamt des Kantons Bern genehmigte die neuen Vermessungsakte am 15. Dezember 2000. Seither besitzt die Gemeinde Clavaleyres ein modernes amtliches Vermessungswerk gemäss eidgenössischem Standard AV93 (vgl. dazu «Technischer Bericht», Oktober 2000, Amt für Geoinformation des Kantons Bern). Das Amt für Geoinformation des Kantons Bern und der Nachführungsgeometer der Gemeinde Clavaleyres haben im Zuge der Neuvermessung die kunsthistorisch wertvollen Grenzsteine auf den Kantonsgrenzen Bern–Freiburg und Bern–Waadt freigelegt und neu bestimmt.

Die bewegte Geschichte des Grenzsteins Nr. 32

Dieser wertvolle kantonale Grenzstein ist wohl das älteste erhaltene Marchzeichen auf der Gemeindegrenze von Clavaleyres. Auf dem Plan von Sellin 1697 ist der Grenzstein dargestellt (Borne des …). Dieser Stein trägt die Jahrzahl 1585 und ist seit jeher ein Dreiländerstein (ab 1803 Bern/Freiburg/Waadt). Er steht heute nahe der Autobahn A1, an der Verbindungsstrasse von Clavaleyres nach Greng und Courgevaux. In den schön bearbeiteten Kalkstein sind die Wappen der angrenzenden Kantone und das Wappen der Gemeinen Herrschaft Murten eingraviert.

Der wohl proportionierte Grenzstein wurde bei Erdarbeiten zum Bau der Autobahn A1 in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts achtlos ausgerissen. Er zerbrach in zwei Stücke und wurde auf einer nahen Schutthalde entsorgt. Dr. h.c. K.L. Schmalz (ehemaliger Lehrer und Gemeindeschreiber in Münchenwiler, Ehrenbürger von Bolligen/BE, Verfasser von Schriften über Münchenwiler und Clavaleyres) entdeckte diesen Verlust im Jahre 1992. Mit Hilfe eines Bauarbeiters, der beim Entfernen des historischen Grenzsteins zugegen war, konnte Schmalz die Bruchstücke identifizieren. Das Vermessungsamt des Kantons Bern hat den Stein sichergestellt, restauriert und zusammen mit der waadtländischen Autobahnbehörde wieder als Dreiländerstein eingesetzt und rehabilitiert. Die Gemeinde Clavaleyres hat am 15. September 1999 den Grenzstein in Anwesenheit von Regierungsdelegationen der Kantone Bern, Freiburg und Waadt feierlich eingeweiht.

Zum Schicksal des Kantonsgrenzsteins Nr. 32 mag ein Vers von Fernando Pessoa passen (portugiesischer Dichter, 1888-1935, übersetzt ins Deutsche):

«Zuweilen betrachte ich einen Stein.
Ich denke nicht darüber nach, ob er fühlt. Ich nenne ihn nicht meinen Bruder.
Aber ich liebe ihn, weil er eben ein Stein ist.»

Auf der Gemeindegrenze von Clavaleyres steht ein weiterer Dreiländerstein (BE/FR/VD). Er trägt die Jahrzahl 1924 und die Nummer 22. Dieser Grenzstein besteht aus Sandstein und ist beschädigt.

Kantonswechsel von Clavaleyres

Der Wechsel der Gemeinde Clavaleyres vom Kanton Bern in den Kanton Freiburg wird dem Kulturgut «Grenzstein» keine Nachteile bringen. Das Amt für Vermessung und Geomatik des Kantons Freiburg wird die Tradition des Bernischen Amtes für Geoinformation zur Pflege und Erhaltung der kulturhistorisch wertvollen Kantonsgrenzsteine weiterführen.

Dank

Amt für Geoinformation des Kantons Bern für diverse Unterlagen, insbesondere Steininventar.

Dr. Jakob Schluep, ehem. Gemeindepräsident Münchenwiler, als Förderer der Erhaltung und Pflege der wertvollen Gemeinde- und Kantonsgrenzsteine von Clavaleyres und Münchenwiler.

Jean-Pierre Anderegg, Kulturgeograf und Bauhistoriker, Freiburg, fundierter Kenner der hoheitlichen Grenzsteine des Kantons Freiburg.

Dr. Hermann Bigler

ehem. Nachführungsgeometer Amt Laupen Wysshus 153, Habstetten CH-3065 Bolligen hermann.bigler@bluewin.ch
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Aus Chronik Nr. 96 «Der Achetringeler», Seite 3136f.

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