Geoinformation und Landmanagement
Géoinformation et gestion du territoire
Geoinformazione e gestione del territorio

100 Jahre Institut für Kartografie und Geoinformation an der ETH Zürich

Symposium und Festschrift

Das Institut für Kartografie und Geoinformation (IKG) der ETH Zürich kann 2025 auf sein hundertjähriges Bestehen zurückblicken. Gegründet 1925 durch Professor Eduard Imhof, gilt es als das älteste akademische kartografische Institut weltweit. Um das Jubiläum zu begehen, fand am 4. und 5. September 2025 ein zweitägiges Symposium an der ETH Hönggerberg statt. Ziel war es einerseits, einen Rückblick auf die wissenschaftliche Entwicklung und die Instituts-Geschichte des Instituts zu werfen, andererseits aktuelle Forschungsprojekte und Perspektiven im institutionellen und fachlichen Umfeld des Instituts aufzuzeigen. Das Programm war breit gefächert und umfasste Keynotes, Kurzbeiträge sowie ein Rahmenprogramm mit einer Exkursion und einem Dinner. Insgesamt nahmen etwa 250 Personen am Anlass teil.

Am ersten Tag konnte Martin Raubal, Professor für Geoinformations-Engineering am Institut, die Teilnehmenden begrüssen und die erste Session eröffnen. Erster Keynote-Sprecher war Prof. Ioannis Giannopoulos von der TU Wien, der darlegte, wie Menschen durch «Geospatial Intelligence» zur verbesserten Navigation im Realraum befähigt werden. Dr. Nina Wiedemann von der ETH Zürich strich danach die Bedeutung von «Foundation Models» für GeoAI in geowissenschaftlichen Anwendungen hervor. Ihr Institutskollege Dr. Yizi Chen berichtete über Entwicklungen zur Nutzung von KI zur Extraktion von Daten aus analogen Karten und zur Generierung neuer Karteninhalte. Prof. Liqiu Meng von der TU München beschrieb in der zweiten Keynote die Rolle der Kartografie als wissenschaftliche Disziplin, insbesondere im Zeitalter künstlicher Intelligenz, mit Blick auf Methoden, Gestaltung sowie Informationsvermittlung und -visualisierung. Lisa Stähli vom Esri R&D Center in Zürich thematisierte danach 3D-GIS-Anwendungen, mit denen verborgene räumliche Strukturen sichtbar gemacht werden, mit Anwendungen z. B. in der Raumplanung, im Umweltmonitoring und mittels Storymaps. Die Literaturwissenschaftlerin und Kulturvermittlerin Dr. Barbara Piatti berichtete über verschiedene Projekte zur kartografischen Darstellung von literarischen Handlungsräumen. Prof. Dan Montello von der UC Santa Barbara legte einen Fokus auf kognitive Aspekte in Kartografie und Geoinformation, wie Wahrnehmung, Interpretation und mentale Modelle kartografischer Darstellung, und zog Verbindungen zu aktuellen Entwicklungen. Dr. Peter Kiefer von der ETH Zürich referierte über den Einsatz von statischem und mobilem Eye-Tracking zur Untersuchung, wie Menschen in räumlichen Entscheidungssituationen Karten oder Geoinformation wahrnehmen und verarbeiten. Dr. Negar Alinaghi von der TU Wien warf einen interdisziplinären Blick auf urbane Umgebungen: Wie lassen sich Entscheidungsprozesse in Bewegung (z. B. im städtischen Kontext) dekodieren und kartografisch abbilden?

Am Abend dislozierte die Gesellschaft auf den Zürcher Hausberg, den Üetliberg. Die Panoramaaussicht auf Zürich, den Zürichsee und die Voralpen präsentierte sich im Vorfeld einer aufziehenden Sturmfront besonders dramatisch. Apéro und Dinner fanden im Restaurant Uto Kulm statt. Der emeritierte ETH-Kartografie-Professor Ernst Spiess hielt spontan eine Tischrede, die er mit vielen Reminiszenzen zur Geschichte des Instituts und insbesondere zum Institutsgründer Prof. Eduard Imhof würzte. Zudem wurde ein Quiz mit drei Fragen zum Institut durchgeführt. So konnte man erfahren, dass am Institut im Laufe der letzten hundert Jahre 287 Mitarbeitende beschäftigt waren. Die Ausgabe 1962 des am Institut unter der Leitung von Eduard Imhof herausgegebenen «Schweizerischen Mittelschulatlas» umfasste 277 Karten und der ebenfalls am Institut entwickelte interaktive «Atlas der Schweiz» enthält aktuell 444 Karten. Die Gewinnerinnen Anna Vetter, Victoria Desponds und Paulina Janusz erhielten je eine aktuelle Ausgabe des «Schweizer Weltatlas», des offiziellen Schweizer Schulatlas.

Der zweite Tag des Symposiums wurde von Prof. Lorenz Hurni eröffnet und begann mit vier Grussadressen von Prof. Günther Dissertori, dem Rektor der ETH Zürich, Prof. Ueli Angst, einem Leitungsmitglied des Departements Bau, Umwelt und Geomatik der ETH Zürich, Urs Isenegger als Vertreter des Bundesamts für Landestopografie swisstopo sowie Mark Wigley, dem Präsidenten der Schweizerischen Gesellschaft für Kartografie (SGK). Danach wurde der Vortragsteil durch eine Keynote von Prof. Georg Gartner, Präsident der International Cartographic Association (ICA) eingeleitet. Er stellte die Rolle des ETH-Instituts in den globalen Kontext der Kartografie und reflektierte über Karten, Bedeutung und Wahrnehmung im Wandel der Zeit. Dr. Thomas Eichenberger von der ETH Zürich referierte über die Geschichte des Instituts und dessen Einbettung in die Organisationsstruktur der ETH. Weiter gaben Dr. Andreas Neumann und sein Team erste Einblicke in die Entwicklungsarbeiten für eine neue Webversion des «Atlas der Schweiz», des am Institut herausgegebenen Nationalatlas. Danach berichtete Prof. Dirk Burghardt von der TU Dresden über eine Arbeit zur Kartierung und Analyse von Ortsangaben durch semantische Auswertung geosozialer Medien. Prof. Robert Weibel von der Universität Zürich stellte ein Projekt vor, bei welchem manuell erstellte und speziell annotierte topografische Karten in verschiedenen Massstäben zum Trainieren von Modellen zur automatischen Generalisierung eingesetzt wurden. Der Keynote-Vortrag von Isabella di Lenardo von der EPF Lausanne handelte von der Verbindung von Stadtgeschichte, Datenquellen und künstlicher Intelligenz und zeigte auf, wie man historische städtische Entwicklungen mithilfe moderner Daten- und KI-Techniken kartografisch rekonstruieren resp. visualisieren kann. Roman Walt stellte daraufhin die verschiedenen kartenbasierten Services der ETH-Bibliothek vor. So sollen in Zukunft auch offene Geodaten aus Forschungsprojekten frei über geeignete Plattformen zugänglich gemacht werden. Den Abschluss machte eine Präsentation durch Dr. Christian Häberling, Sabine Wöhlbier und Prof. Lorenz Hurni über den aktuellen Stand der Arbeiten am «Schweizer Weltatlas» und insbesondere der geplanten interaktiven Version.

Im Anschluss an das Symposium fand die Preisverleihung des «Prix Carto» der SGK statt, mit welchem im Zweijahresrhythmus hervorragende Karten aus Schweizer Produktion ausgezeichnet werden. Sachit Mahajan von der ETH Zürich gewann mit dem Open-Source-Framework greenR zur Quantifizierung urbaner Grünräume den Preis in der Kategorie «Education». Das Buch «Schweizer Bergwelten» von Fabian Lang mit 100 Infografiken gewann den Hauptpreis und Aubry Cholleton erhielt mit ihrer Website isochrone.ch zur Berechnung von ÖV-Erreichbarkeiten den Anerkennungspreis.

Sämtliche Präsentationen des Symposiums und eine Fotogalerie sind auf der Website des Instituts zugänglich: https://karto.ethz.ch/aktuelles-veranstaltungen/veranstaltungen/archiv/symposium-100-jahre.html

Eine Festschrift zum Jubiläum mit dem Titel «Ingenieure der Kartenkunst – 100 Jahre Institut für Kartografie und Geoinformation / 170 Jahre Kartografie an der ETH Zürich» mit 272 Seiten und 220 Abbildungen ist in einer deutschen und einer englischen Ausgabe erschienen. Die Publikation gibt einen umfassenden Überblick über die Geschichte der Kartografie an der ETH Zürich und würdigt die Persönlichkeiten, die zur Entwicklung des Fachs beigetragen haben. Das Buch kann über diese Webseite zum Preis von CHF 50 bezogen werden:

https://ikg.ethz.ch/en/order-publication.html

Zudem ist die Festschrift als Open-Access-Publikation verfügbar:

Deutsch: https://doi.org/10.3929/ethz-b-000745691

Englisch: https://doi.org/10.3929/ethz-b-000745687

Eine ausführliche Rezension der Publikation findet sich unter:
https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2025/09/vom-pinselstrich-zu-pixeln-100-jahre-institut-fuer-kartografie-und-geoinformation.html

Drei Institutsprofessoren vereint: V. l. n. r.: Prof. Martin Raubal, Prof. em. Ernst Spiess, Prof. Lorenz Hurni.
Prof. Günther Dissertori, Rektor der ETH Zürich.
Prof. Georg Gartner, TU Wien, Präsident der International Cartographic Association (ICA).
Teilnehmende am Symposium «100 Jahre Institut für Kartografie und Geoinformation an der ETH Zürich».
Prof. Ernst Spiess hält eine Tischrede während des Dinners auf dem Üetliberg.
Prof. Liqiu Meng, TU München.
Dr. Barbara Piatti, Literaturwissenschaftlerin und Kulturvermittlerin.
Dr. Isabella di Lenardo, EPF Lausanne.
Umschlagbild der deutschen und englischen Ausgabe der Festschrift.

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